Optimierung der gerontopsychiatrischen Behandlung
Wie können digitale Technologien dabei unterstützen?
Hintergrundinformationen
Die Corona-Pandemie hat uns gezeigt, wie bedeutsam der Einsatz moderner digitaler Möglichkeiten zur Gestaltung des veränderten Alltags ist. Kommunikation findet für viele Menschen in einem erheblich größeren Ausmaß mit dem Einsatz von Kommunikationsplattformen im Internet, sozialen Medien und anderen Hilfsmitteln statt, als es vor der Pandemie der Fall war. Allerdings werden moderne technologische Möglichkeiten gerade im Umgang mit und von älteren Personen bislang nicht ausreichend genutzt. Dies betrifft neben der eigenen Wohnung besonders Pflegeeinrichtungen und insbesondere Behandlungssettings älterer Patient*innen im Krankenhaus.
Eine besonders von den Einschränkungen im sozialen Kontakt betroffene Population sind ältere Menschen mit psychischen Erkrankungen, für die durch die Pandemie zahlreiche Angebote wie Besuchsdienste, Tagesstätten und andere Möglichkeiten professionell begleiteter sozialer Kontakte weggefallen oder nur noch in erheblich reduziertem Ausmaß verfügbar sind. Einsamkeit und häufig unzureichender oder fehlender Kontakt zu den Angehörigen sind dabei insbesondere für ältere Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen ein Problem.
Bisher existieren einige vielversprechende Ansätze zur Nutzung digitaler Medien und neuer Technologien in der psychiatrischen Behandlung. Bezogen auf ältere Personen ist deren Einsatz bislang jedoch unzureichend verbreitet. Daher existieren derzeit zu wenige Erfahrungen in der Arbeit mit digitalen Medien in der gerontopsychiatrischen Behandlung, um Handlungsempfehlungen abgeben zu können. Letztendlich besteht auch das verbreitete Vorurteil, dass ältere Personen den Umgang mit moderner Kommunikationstechnologie nicht mehr erlernen können, dem durch wissenschaftliche Untersuchungen und Aufklärungsarbeit entgegengewirkt werden muss.
Projektziel
Das vorliegende Projekt hat daher zum Ziel, sowohl die Nutzung digitaler Möglichkeiten in der gerontopsychiatrischen Behandlung zu etablieren und deren Praktikabilität zu demonstrieren, als auch dazu beizutragen, dass Patient*innen in gerontopsychiatrischer Behandlung Kompetenzen im Umgang mit digitalen Möglichkeiten erwerben bzw. ausbauen.
Moderne Technologien wie die Nutzung von Smartboards oder virtueller Realität sollen in der gerontopsychiatrischen Behandlung vermehrt zum Einsatz kommen und deren Nutzen gezeigt werden.
Bisherige vorwiegend auf Papier oder Tafel in therapeutischen Gruppen erarbeitete Inhalte sollen digitalisiert werden, um später daran mit der Gruppe weiterarbeiten zu können. Filme, Musik und Bilder sollen leichter zugänglich werden und so die therapeutische Arbeit, z.B. im Rahmen der Biographiearbeit, besser unterstützen.
Defizite wie Seh- oder Höreinschränkungen sowie motorische Defizite können durch den Ansatz technologischer Hilfsmittel besser kompensiert werden. Inhalte am Tablet können im Gegensatz zu einem Ausdruck leicht vergrößert, psychoedukative Videos in hoher Lautstärke und mit Kopfhörern gezielt abgespielt und Fragebögen über die Spracherkennung ausgefüllt werden, wenn das Schreiben per Hand nicht mehr gelingt.
Es soll gezeigt werden, dass sich hierdurch eine erhebliche Qualitätssteigerung der diagnostischen und therapeutischen Arbeit in der Gerontopsychiatrie erzielen lässt. Zudem wird eine Erhöhung der Zufriedenheit der Mitarbeiter*innen durch die Verbesserungen der Möglichkeiten in der therapeutischen Arbeit und eine modernere technologische Ausstattung der Station erwartet. Dies soll untersucht und nachgewiesen werden.
Projektergebnis
Das übergeordnete Ziel war es, die Behandlung von älteren, psychisch erkrankten Menschen durch Stärkung der digitalen Kompetenzen und Einbeziehung moderner digitaler Möglichkeiten zu optimieren und damit ihr Wohlbefinden und Zugehörigkeitserleben zu verbessern. Das Projekt konnte im vorgesehenen Zeitraum und mit den eingeplanten finanziellen Mitteln erfolgreich umgesetzt werden, auch wenn der Erreichungsgrad der Teilziele nicht einheitlich vollständig war.
Eine digitale Kompetenzgruppe auf der gerontopsychiatrischen Station wurde etabliert, in deren Rahmen die Patient/innen der Station den Umgang mit Tablets und Nutzung der Geräte zu online-Suchen und einfacher Kommunikation erlernen konnten.
Alle angeschafften Geräte wurden in den Stationsalltag integriert und die Mitarbeitenden in der Nutzung der Geräte geschult, sofern erforderlich. Die Patient/innen der Station zeigten und zeigen weiterhin großes Interesse und hohe Akzeptanz der eingesetzten Technologien. Im Rahmen des Projekts wurde eine Pilotstudie zur Machbarkeit des Einsatzes von VR bei älteren und hochaltrigen Patient/innen mit verschiedenen psychiatrischen Erkrankungsbildern durchgeführt. Es zeigte sich eindrücklich die positive Resonanz der Patient/innen auf den Einsatz der VR. Darüber hinaus ergaben sich nachweisbare Effekte, dass VR in ihrer Wirkung anderen Entspannungstechniken mindestens ebenbürtig ist und zu einer deutlichen Verbesserung des Befindens und einer Reduktion von negativen Gefühlen führt
Patient/innen, konnten über digitale Kommunikation den Kontakt zu Freundschaften wieder aufleben lassen oder sich mittels Google Maps außerhalb orientieren und YouTube zum Musik hören nutzen
Im klinischen Alltag auf der gerontopsychiatrischen Station ermöglicht der Einsatz von Smartboards oder Tablets altersbedingte Defizite wie Hör- und Seheinschränkungen unkompliziert durch Vergrößerungen am Bildschirm oder individuelle Lautstärkenregelung über Kopfhörer auszugleichen.
Durch die Personalfluktuation auf der Station bedingt konnte eine aussagekräftige Befragung jedoch nicht durchgeführt werden, da es in fast allen Berufsgruppen eine relevante Anzahl neuer Mitarbeitender gab, welche an der ersten Befragung noch nicht teilgenommen hatten und die Zahl der sowohl zum 1. als auch zum 2. Zeitpunkt auf der gerontopsychiatrischen Station tätigen Personen zu klein war, um eine ausreichend große Stichprobe zu erfassen. Den Einsatz der digitalen Angebote limitierend waren teilweise personelle Ressourcen im Stationsalltag, jedoch nicht die Einstellung zu den technischen Möglichkeiten bei den Mitarbeitenden. Für eine nachhaltige Verstetigung des Projekts wäre daher z.B. die Schaffung einer Pilotstelle für einen Digitalbeauftragten aus dem Bereich Pflege oder Sozialdienst sinnvoll. Diese Person könnte gezielt Patient/innen anleiten, digitale Medien sicher zu nutzen, und zugleich pflegerisches und technisches Know-how zusammenführen.

Projektinformationen
Partner: Psychiatrische Universitätsklinik der Charité im Alexianer St. Hedwig Krankenhaus
Förderung: 2022 - 2024